Die chinesischen Fischernetze von Kochi

Sie fangen das Licht ein...

...und geben zarte Farbgespinste zurück, blauschimmernd, silbrig, anthrazit... Das Netz ein Zelt in der Luft, inmitten einer pittoresken Konstruktion aus zusammengebundenen Stämmen, Ästen und Seilen, Reiher haben sich am Rand niedergelassen, warten auf Beute, wirken im Gegenlicht wie das Arsenal eines fremdartigen Scherenschnitt-Theaters. Die Lampen dazwischen: aus expressionistischen Nachtbildern entflohen in ihrer schwankenden Munterkeit.

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Dann lehnen sich Männer gegen die Streben, die oben, spitz zulaufend, die Netzaufhängung halten, balancieren behände auf den sich senkenden Hölzern, während sich hinter ihnen, im Winkel von circa 110 Grad, die Stämme langsam in die Höhe heben, die die Gegengewichte halten: mehrere große Steine, an Schnüren befestigt.

Tauchgang mit Hebelkraft...

 

Das Netz jetzt im Meer versenkt, die Männer haben die Streben verlassen, stehen auf dem Steg und warten.

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Viel Beute ist nicht zu sehen, als wenig später das Netz aus dem Wasser kommt und einer der Männer die wenigen Fische mit einem Kescher herausholt. Aber hier werden ja nicht nur Fische gefangen, sondern auch Schaulustige, Touristen wie wir, und vielleicht ist das der einzige Grund, warum die Männer die Hebenetze tagsüber überhaupt betätigen - oder bespielen, besser gesagt: um des Spektakels willen, als special Event inklusive Direktverkauf zu gehobenen Preisen oder als Werbeanimation für die Fischstände an der Strandpromenade.

Denn gefischt wird ansonsten normalerweise in den frühen Morgenstunden. Hier und jetzt jedoch sind die Fischer nicht einfach Fischer - sie führen ein besonderes Stück auf, das eine Geschichte erzählt. Gern lassen Sie sich dann auch gegen ein Trinkgeld gemeinsam mit den Besuchern fotografieren.


 

 

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Ein beschwerliches Geschäft

Wenig Fang, wenig Verkauf - das ist nur eine existentielle Sorge der Fischer. Ein mindestens ebenso großes Problem scheint zu sein, dass die Unterhaltung der Netze teuer ist. Die Konstruktionen sind ursprünglich aus Bambus und Teak, Reparaturen können sich die Besitzer kaum leisten, auch dass die Netze zweimal jährlich gewechselt werden müssen, wie The Hindu 2010 berichtet. Es gibt – oder gab zumindest zu diesem Zeitpunkt - keine Krankenversicherung für die Fischer (einige hatten sich ernsthaft verletzt oder sind sogar gestorben durch zusammenbrechende Teile), keine Versicherung für die Netze, keine staatliche oder städtische Unterstützung. Der Betrieb lohne sich nicht mehr. So beklagt der Artikel das langsame Verschwinden der Netze und damit einer jahrhundertealten Tradition.

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Vor allem an den Küsten Südchinas und Indochinas soll es noch solche stationären Aufzugs- oder Hebenetze geben - in Indien kann man ihnen nur noch in Kochi oder in Kollam begegnen. Wie sie einst auf den Subkontinent gelangt sind, darüber gibt es verschiedene Versionen. So sollen sie entweder vom Gesandten des chinesischen Kaisers Kublai Khan (1215–1294) oder vom chinesischen Admiral Zheng He (1371–1433 bzw. 1435) hierher gebracht worden sein. Möglicherweise führten aber auch die portugiesischen Eroberer im 16. Jahrhundert die Technik aus Macao nach Indien ein.

Die "Cheena Valas" - wie sie in Indien heißen - müssen sich über lange Zeit rentiert haben, vielleicht weil sie, hatte man einmal seine Fangvorrichtung eingerichtet, jederzeit bedient werden konnten und Erträge brachten, vielleicht auch weil die Fischer ihren Kunden absolute Frische vorweisen konnten: die Käufer konnten ja praktisch zuschauen...

 

 

 

 

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Zukunft ist ungewiss

 

Am 11. Juni 2018 war im New Indian Express zu lesen, bereits 2014 habe das Tourism Department die Verantwortung für die Restauration der alten Netzinstallationen übernommen. Eine Umsetzung sei aber bisher gescheitert, zunächst weil es schwierig gewesen sei, Holz von der hohen Qualität zu beschaffen, wie sie für die Restauration nötig ist. Dann weil es an qualifizierten Restaurateuren fehle. Nun sollte die Chinese Net Owners Association die Arbeit übernehmen und es ist ein Komitee gegründet worden, das die Umsetzung beaufsichtigen soll.

Aber die verheerenden Überschwemmungen im Sommer 2018 haben sich auch auf die chinesischen Netze ausgewirkt und die Situation noch einmal verschärft. Fünf große Netzinstallationen in Fort Kochi sind zusammengebrochen, die Schäden sind teilweise irreparabel oder die Kosten so immens hoch, dass eine Reparatur in weite Ferne rückt. Von den 23 Netzen in Fort Kochi sollen nun nur noch sechs in Betrieb sein.

Bleibt zu hoffen, dass die alten Cheena Valas in Fort Kochi nicht bald schon Geschichte sein werden...